Plakat und Ausstellung
In Zürich steht das einzige «Indianermuseum» Europas, das nicht in ein Völkerkundemuseum integriert ist.
Einmalig ist auch der Ort
Notdürftig ausgebaute Räume im ersten Stock eines Schulhauses.
Nun verschafft sich das Indianermuseum etwas Luft und stellt in Räumen des Zeughausareals aus – mit einer bemerkenswerten Ausstellungsgestaltung.
Die Ausstellung über die indianische Bevölkerung des Yukon Territoriums im kanadischen Hochland ist im hofseitigen Anbau des Zeughausareals an der Ecke Militärstrasse/ Kanonengasse eingerichtet.
Diverse Probleme sind zu lösen
Der Raum ist eine 1700 Quadratmeter grosse Halle, markant durch Pilzstützen aus Holz strukturiert. Auf dem Boden liegt grober, staubiger Kies, auf dem längeres Gehen anstrengt. Die Rückwand des Ausstellungsraums ist gleichzeitig die Aussenwand des Verbindungsbaus. Sie ist ein Fremdkörper und stört, die Frontseite hingegen ist voll verglast, kurz: Es gibt keine Wände, um Objekte zu präsentieren.
Holz und Kies
Die Ausstellungsgestalterin Susanne Dubs (HP 3/96) arbeitet mit den beiden Elementen, die den Raum prägen, Holz und Kies. Auf den grauen Kiesboden setzt sie mit Bahnschwellen umfasste und mit gelbem Kies gefüllte Inseln. Zwischen den Inseln liegen leicht erhöhte und gegeneinander versetzte Eurospanplatten – eine Mischung aus improvisiertem Steg und Bühnenboden, Gehweg und Ausstellungsplatz. Die Übergänge und überlappenden Platten sind farbig gestrichen, sie bilden Farbakzente und markieren die Übergänge. Mitten im Raum liegt die grosse Insel, ein einfaches Rundzelt, Ess-, Palaver- und Potlachraum. Die verschachtelte Insel- und Plattenkonstruktion schafft einen offenen, lebendigen Raum im Raum und strukturiert den Gang durch die Ausstellung.
Improvisieren
Die Indianer im Yukon passen sich den Lebensumständen im Hochgebirge an und nutzen die kargen Ressourcen aus. Dasselbe macht die Ausstellungsgestalterin. Konkret heisst das: Die Holz- und Kiesarbeiten führen die Werkstatt Holz und Job Bus Bau aus, beides Arbeitsloseneinsatzprogramme der Stadt; Das grosse Wandbild malen die **wissenschaftlichen Zeichner **der Schule für Gestaltung Zürich;
Die Künstlergruppe **Motorsänger **aus Männedorf pinselt 2,5 mal 2,5 Meter grosse Landschaftsbilder ab Polaroidvorlagen, da die Vergrösserungen von Fotos zu teuer wären, und die Infotafeln sind simple Papierausdrucke, auf Holzplatten geklebt und mit matter Klarsichtfolie geschützt.
Die Vitrinen sind vom Migros Genossenschaftsbund ausgeliehen und wirken in diesem Ambiente wie Luxusobjekte. Kontraste dieser Art sind so spannend wie die Geschichte der Indianer im Yukon zwischen Nomadentum, Goldrausch und Tourismus.
Wie weiter?
Der diskrete Charme der Improvisation steht einer Ausstellung wie dieser gut an, als Dauerzustand ist das jedoch nicht tragbar.
Das Volk der Wölfe und Krähen im Yukon-Gebiet richtet einen Potlach aus, wenn es etwas zu feiern gibt, aber auch wenn ein Begräbnis ansteht. Welchen Potlach das Indianermuseum in Zürich demnächst ausgibt, ist offen. Findet es im Zeughaus 3 endlich eine anständige Bleibe?
Wird es nach dem Schulamt nun der Präsidialabteilung unterstellt, dem Kanton zugeschoben oder trotz der beachtlichen Besucherzahlen und entgegen den Beteuerungen der zuständigen Amtsstellen am Ende doch geschlossen?
Die aktuelle Ausstellung, die Denise Daenzer, die Konservatorin des Indianermuseums zusammen mit zwei Kuratorinnen aus dem Yukon eingerichtet hat, zeigt kein verklärtes Bild einer heroischen, mythischen Kultur und spricht darum über den indianischen Fanclub und Schulklassen hinaus Kunst- und Kulturinteressierte an. Sie zeigt auch, dass die sogenannt (kalten) Kulturen, die den gesellschaftlichen Wandel gering halten, die überhitzten, westlichen Kulturen zum Nachdenken können, wie schon im letzten Hochparterre zu lesen war. Die Stadt Zürich sollte das indianische Erbe,
das in Kellern vor sich hin modert, nicht verscherbeln, sondern bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich machen – auch wenn die indianische Kultur keine Lobby hat, welche die Politik in die richtigen Bahnen lenkt.
Christoph Settele